Geheimnisvolle Dornen

"Kakteendornen" Rand- und Mitteldornen die da aus den Areolenkissen stossen, faszinieren immer wieder durch Ihre Gestalt! Ob pectinat, haarig, federig ,hakig, extrem lang oder fast nicht vorhanden ,nur im Sämlingsstadium ;alle sind Wunderwerke der Natur! Eigentlich sind diese Dornen nichts anderes als morphologische umgebildete Blattorgane! Allgemein ist betreffend der Funktion der Dornen der Kakteen bekannt, das diese als Schutz der Kakteen vor Fraßfeinden und zu starker Verbrennungen durch die Sonne dienen, aber nicht nur! Durch die Beobachtung durch ein starkes Mikroskop enthüllt man vielfältige, interessante biologisches Rätsel. Die meisten dieser Phänomene kann man durch evolutionäre Prozesse erklären , deren Aufgabe es ist, die Pflanze so gut wie möglich an ihre Umgebung anzupassen. Da je nach Gattung und Art, Verbreitungsgebiet und Meereshöhe auch unterschiedliche Dornen ausgeprägt werden, sind sie zum Teil auch schon von weitem eine Augenweide. Wenn wir nun die Dornen näher betrachten, sieht man auch das einige gerillt, ganz glatt, höckerig etc. sind, diese sind augenfällig, jedoch gibt es viele Strukturen die für das Auge ein verborgenes Geheimnis sind. Grundsätzlich hat jede Kakteengruppe durch die Evolution auch zwischen Arten in der gleichen Gattung signifikante Unterschiede in der Dornenstruktur hervorgebracht. Die hier gezeigten mit einem Raster-Elektronenmikroskop aufgenommenen Photos zeigen Dornen, die charakteristisch sind für die Gattung Pterocactus(Schumann)und verwandten Pflanzen in der Unterfamilie der Opuntioideae. Die dorneninnere Strukturen sind identisch bei allen neun (9) Arten dieser Gattung. Man kann bei Dornenquerschnitten winzige Plättchen erkennen, die in einem chaotischen System zusammengefügt sind und dadurch eine schwammähnliche Struktur bilden. Diese ist sehr leicht und füllt den leeren Raum gut auf und ist widerstandsfähig gegen mechanische Einflüsse. Mit diesem einfachen Trick, brauchen die Dornen nicht all zu starke Areolenverbindunungen und sind dennoch fähig die Abwehrfunktion aufrecht zu erhalten.


 

Hauptansicht auf eine Dornenoberfläche
(Pt.fischeri, KG 2001, Vaca Muerta)

Fasern auf der Dornenoberfläche
(Pt.valentinii, KG 2079, Buta Ranquil)

Dornenquerschnitt , mit der Dornenoberfläche (rechts) und der inneren Dornenstruktur
(Pt.hickenii, KG 2466, Perito Moreno)


 

Diese Struktur kann auch eine Rolle bei zwei weiteren Faktoren spielen:

1.Sonnenstrahlen können die Dornen nicht so stark und so schnell erhitzen wie eine homogene Struktur.

2.Regenwasser und kondensierende Luftfeuchte können in die Dornen eindringen und die schwammige
Struktur der Dornen kann der Pflanze lebensnotwendiges Wasser zuführen, besonders in ariden, trockenen Gebieten.

Indem man diese Dornen in Wasser legt, kann man dies leicht überprüfen. Durch die Wasseraufnahme werden die Dornen flexibler und verlieren nun die dornige, stechende, schützende Eigenschaft. Die äussere Schicht der Dornen ist in ähnlicher Weise aufgebaut. Die Plättchen dort sind bedeutend grösser und sind horizontal um den Kern herum geschichtet und geben dem Dorn einen besseren Schutz vor Witterungseinflüssen. Zusammengefasst bilden sie manchmal am Rand mit Luft gefüllten längere Röhrchen, generell jedoch schützt die straffe äussere Schicht den inneren Kern des Dornes. Die äusserste Schicht ist auch die interessanteste, da sie oft interessante Formen und Strukturen bildet. Unter dem Mikroskop ist es schwieriger die deutliche Struktur dieser Teile zu beobachten. Anders als in der inneren sind hier charakteristische Fasern ineinander verdreht, die der ganzen Aussenschicht eine gute Resistenz gegenüber mechanischen , äusseren Einflüssen .Die Wellen dieser Fasern kann man am besten mit Seilen vergleichen, welche viel beständiger sind als Einzelfasern mit dem gleichen Durchmesser. An den Dornenenden krümmen sich die meisten Fasern nach aussen und bilden die typischen Widerhaken. Die Funktionalität dieses Aufbaus ist einfach zu verstehen, die Dornen gehen einfach in die Haut hinein aber um so schwieriger wieder hinaus! Die beim Angeln üblichen Widerhaken am Ende des Angelhakens erfüllen den selben Zweck. Man mag sich wundern warum sich im laufe der Evolution ähnliche Mechanismen entwickelten die unterstützend auf das Abbrechen von Sprossgliedern wirken. Meiner Meinung nach dürfte eine Hypothese die Erklärung liefern und zwar das sich die Pflanzen so in der Natur in vegetativer Art und Weise vermehren kann bzw. so eine weitere Verbreitung findet. Im Falle von Pterocactus scheint das gut möglich, da zwei Arten dieser Gattung Pt.kuntzei und Pt.megliolii die Möglichkeit haben einige Sprosse in der Ruhezeit im Herbst und Winter zu verlieren. Die werden dann verbreitet durch starken Wind und von verwehten Sand abgedeckt wo sie dann Zeit haben zu wurzeln und sich in der folgenden Vegetationsperiode zu einer eigenständigen Pflanzen zu entwickeln. Die übrigen Arten haben diese Möglichkeit der Vermehrung nicht, obwohl bei langer Trockenheit auch dort Sprosse abbrechen können. Nach wie vor ist die These mit den Widerhaken und dem vegetativem Vermehren auf diese Art durchaus streitbar. Ich möchte unterstreichen das dies meine eigene Meinung darstellt und nicht an Erfahrungswerte und Beobachtungen am Standort beruht, welche den essentiellen Teil dieser Behauptung stützen würde. Eine andere spekulative Möglichkeit kann nicht ausgeschlossen werden! Vielleicht sind wir Zeugen eines konstanten evolutionären Entwicklungsprozesses, der auf die vegetative Vermehrung dieser Pflanzen ausgerichtet ist. Es soll auch bemerkt werden das auch an den Glochiden solche Widerhaken vorkommen und bei Eindringen in die Haut zu längeren Unannehmlichkeiten führen kann. Gegenüber von Hauptdornen sind die Glochiden nicht allzu stark in die Areolen Eingebettet und können sich so leicht lösen.


 

Innere Dornenstruktur mit der "plättchenartigen" Anordnung, die eine schwammänliche Struktur bilden
(Pt.hickenii, KG 2466, Perito Moreno)

Die besonders typischen"Wiederhaken" auf der Dornoberfläche.
(Pt.fischeri, KG 2001, Vaca Muerta)

Nahaufnahme

(Pt.hickenii f.skottsbergii)


 

Man kann ähnliche Phänomene auch in der Tierwelt beobachten. Beispiele solcher defensiver Überlebenstaktiken kann eine Strategie von Selbstverteidigung sein, etwa bei Eidechsen. Viele Arten von Seesternen praktizieren ebenfalls einen ähnlichen Schutzmechanismus, im Moment der Gefahr für den Körperrumpf kann er spontan einzelne Arme verlieren. Beide Beispiele zeigen auf das manche Tiere ein hohes Potenzial haben verlorengegangene Körperteile zu erneuern/regenerieren. Der verlorengegangene Teil wird zur Beute des Angreifers. Basierend auf diesen Beispielen kann man daraus schliessen das die Funktion der Widerhaken an den Enden der Hauptdornen nur zum Schutz vor Räubern sind und keine Rolle in der vegetativen Vermehrung spielt. Es soll hier vermerkt werden das diese Beispiele komplementär sein können. Nehmen wir die hier abgebildeten Fotos als Diskussionsvorlage, ich hoffe noch andere Dornenmerkmale weiterer Pterocacteen zu charakterisieren. Neben anderen Dingen ist es ein Ziel von mir, anhand von Dornenmerkmalen die Verwandtschaft zwischen Pt.skottsbergii und Pt.hickenii zu erkunden. Die Grenzen zwischen anderen Formen und Arten sind bis jetzt noch nie sauber voneinander getrennt worden. Einige Spezialisten bestätigen die Existenz von Zwischenformen zwischen Pt.australis/fischeri und hickenii/araucanus(Gilmer).Leider sieht es danach aus das auch die interessanten Eigenschaften und Merkmale der Dornen uns nicht alle Antworten auf unsere Fragen geben können. Durch das Mikroskop beobachtet sehen die wenige Millimeter langen Dornen von Pt.gonjanii den viel grösseren des Pt.hickenii sehr ähnlich . Nichts desto trotz war es mir möglich bei Pt.australis In der Dornenstruktur eine gewisse Ähnlichkeit mit der Rinde von Koniferen zu sehen. Meiner Meinung nach ist Pt.australis wahrscheinlich eine total separate Art da sie keine zusammenhängende Verwandten hat obwohl die Variabilität und der Formenreichtum beachtlich ist. Auch in diesem Falle können voreilige Schlüsse schädlich sein. Es ist unbedingt nötig in Zukunft noch weitere vergleichende Untersuchungen vorzunehmen und Dornenoberflächen von einer grösseren Anzahl von verschiedenen Klonen genauer" unter die Lupe" zu nehmen. Soweit die chemischen Zusammensetzungen von Dornen erforscht sind , muss man nicht mit Überraschungen rechnen.


 

  

Frontansicht der inneren und äusseren
Struktur
eines Pterocactus.
(P.valentinii, KG 2314, Laguna Blanca,)

Plättchen der inneren Struktur eines Dornes

(P.megliolii, KG 2029)

Spezifische Haken am Endteil eines Dornes (P.valentinii, KG 2087, Peninsula Valdez)


 

Wie in fast allen biologischen Arten ist auch in Dornen fast nur Kohlenstoff und Sauerstoff zusammengesetzt anzutreffen. (Chemische Elemente unter 10 Prozent fallen in den Hintergrund).


 

Die längsgerichteten Fasern auf der
Dornenoberfläche bei (P.hickenii, KG 2152)
Dornenoberfläche mit einem feinen Haar
(P.gonjanii, KG1715)

Gesamtansicht der äusseren und inneren Struktur eines P.australis-Dornes
(P.australis, KG 2011, Magellan- Strasse)

 

 
Dornenoberfläche (P.australis, KG 1952)
Koniferenrindenähnliche Struktur
 

 

   
 

Einen speziellen Dank gilt Klaus Gilmer, der so nett war Pflanzenmaterial zur Verfügung zu stellen mit dem dieser Artikel erst möglich wurde!!,Ausserdem auch noch herzlichen Dank für die Durchsicht des englischen Manuskripts nach gramatikalischen Ungereimtheiten.

Der Autor ist für Kritik ,konstruktive,weiterführende Meinungen und Ansichten jederzeit offen.Bitte schreiben Sie mir(english):
E-mail-Piotr Swiatoniowski

Autor + Bilder: Piotr Swiatoniowski, 12/2004

Übersetzung :C Hunkeler

 
 
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